Laatzen
Donnerstag, 13.10.22 - 10:01 Uhr

Archivfund des Monats: Besatzung und angespannte Versorgungslage

Abschrift vom 23. Februar 1947; Gutachten der Gemeinde vom 14. Februar 1949.

LAATZEN. 

Der Archivfund des Monats Oktober berichtet von zwei wesentlichen Erfahrungen der Nachkriegszeit in Deutschland - der Besatzung sowie der angespannten Versorgungslage zu jener Zeit. Der Fund berichtet vom Schicksal eines Laatzeners, der beim "Kohleklau" von einem Besatzer erschossen wurde.

 

"Nach dem letzten Archivfund des Monats zur Hungerkrise bleiben wir in der Nachkriegszeit. Auch der Kohlemangel war nach dem Zweiten Weltkrieg ein großes Problem - besonders im Winter 1946/1947, der als einer der kältesten des vergangenen Jahrhunderts gilt. Auch Laatzen wurde im Februar 1947 von der Kältewelle getroffen. Die vorliegenden Dokumente geben Auskunft über das Schicksal eines Laatzeners, der Kohle beschaffen wollte. Dabei kam es am Güterbahnhof Hannover-Wülfel zu einem tragischen Vorfall," berichtet Stadtarchivar Manuel Schwanse in seiner Auswahl für den Monat Oktober. "Auch der Kohlemangel gehörte zu einer Herausforderung der Nachkriegszeit - der Kohlen-klau wurde in dieser Zeit zu einer Massenbewegung. Da selbst der Kölner Kardinal Joseph Frings Verständnis dafür zeigte, dass die hungernden und frierenden Menschen in ihrer Not raubten, was sie zum Überleben brauchten und legal nicht bekamen, wurde der Kohlenklau im Rheinland und darüber hinaus bald als "Fringsen" bezeichnet. Der Archivfund zeigt, dass offensichtlich auch in Laatzen "gefringst" wurde", so Schwanse weiter.

 

Die Dokumente aus dem Laatzener Stadtarchiv geben über folgenden Sachverhalt Auskunft: Am späten Abend des 22. Februar 1947 machte sich der Arbeiter H. P. aus Laatzen auf, um etwas Kohle für seine Familie zu besorgen. Sein Ziel war der Güterbahnhof Hannover-Wülfel. Dort war an diesem Abend ein amerikanischer Lebensmitteltransportzug aus der Richtung Hannover kommend stehen geblieben. Später sagte seine Frau im vorliegenden Dokument aus, das "trotzdem mein Mann nie abends fortgegangen ist, sagte er mir am gestrigen Abend, dass er die Absicht habe, bis zum Güterbahnhof zu gehen, um evtl. etwas Kohle zu beschaffen. Etwa um 23 Uhr verliess er die Wohnung und ist nicht mehr zurückgekehrt".

 

Was dann genau passierte, kann heute nur noch teilweise rekonstruiert werden. Offensichtlich wurde H. P. bei der Flucht - ohne etwas gestohlen zu haben - in etwa 30 Metern Entfernung vom Waggon von hinten erschossen.Da es sich in einem solchen Fall, um einen sogenannten "Besatzungsschaden" handelte, war er nach den "Richtlinien für die Behandlung von Schadensersatzansprüchen aus Vorfällen und Unfällen, die durch Angehörige der US-Besatzungsmacht in der britischen Zone hervorgerufen wurden" zu bearbeiten. Die Witwe des Arbeiters stellte einen Antrag auf Schadensersatz gegen die USA. Ob der Antrag Erfolg hatte, lässt sich nicht mehr nachvollziehen.

 

"Leider ist der Akte nicht zu entnehmen, ob Schadensersatz gewährt wurde. Als der Antrag zwei Jahre nach dem Vorfall gestellt wurde, war der Vorfall noch immer nicht restlos geklärt. Die Gemeinde schlug vor, den Antrag der Witwe in voller Höhe anzuerkennen, falls die Schuld der amerika-nischen Soldaten erwiesen ist", erläutert Schwanse.Der Archivfund des Monats ist - wie auch alle Vorgängerfunde - in der Reihe "Archivale des Monats" auf der Homepage der Stadt Laatzen unter dem Link https://www.laatzen.de/de/stadtarchiv.html zu finden. Foto: Stadt LaatzenDiese Fotos dürfe gerne aber nur ausschließlich im Rahmen der Berichterstattung zu diesem Ereignis verwendet werden.

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